Die bunten Lettern auf dem Plakat leuchten weit in die Umgebung. Sie heben sich ab vom verblichenen Gelb des Bahnhofs und auch vom Grau der Wolken, die derzeit tief über Leisnig hängen. „Herzlich willkommen im Raum für Visionen und Utopien", steht darauf. Dazu einige „Visionen", wie Kunst, Büro und Geschäft, sowie eine Telefonnummer und der Name einer Website – beide schweizerisch.
„Ich möchte die Leisniger dazu bringen, sich mit Ideen für den Bahnhof an mich zu wenden", erklärt Erwin Feurer. Der Schweizer hat vor einem halben Jahr den Leisniger Bahnhof erworben, bei einer Auktion für 8500Euro. Seitdem ist er auf der Suche nach Möglichkeiten, um das neogotische Gebäude wiederzubeleben. Der feingeistige Mann aus dem Dorf Egnach am Bodensee denkt dabei vor allem an eine künstlerische Nutzung. Ein Teil des Bahnhofs soll für eine Dauerausstellung hergerichtet werden, in einem anderen Bereich könnte irgendwann ein Büro entstehen. Auch eine eigene Wohnung kann sich Feurer in der Station vorstellen, wobei diese Zukunftsmusik noch sehr leise klingt.
Denn im Moment muss am Bahnhof erst einmal das Nötigste gemacht werden. Nachdem Feurer zu Anfang des Jahres mit seinem Sohn eine Putzaktion durchführte, ließ er zuletzt auch mehrere Fenster auswechseln. Dabei erhofft er sich in Zukunft mehr Hilfe von den Leisnigern, die sich auf seinen Aufruf hin nach eigenen Angaben bisher kein einziges Mal bei ihm gemeldet haben. Andreas Riethig kann er damit jedoch nicht gemeint haben. Der Eisenbahnfreund sprudelt geradezu über vor Ideen für das alte Schmuckstück. „Ich habe erst vor Kurzem eine ganze A4-Seite mit Vorschlägen an Herrn Feurer gesendet", sagt Riethig.
Sein Kerngedanke: Der direkt am Bahnhof vorbeiführende Mulderadweg soll bei der künftigen Nutzung der entscheidende Trumpf werden. „Für die Touristen, die ihn befahren, könnte ich mir eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit, einen Imbiss und auch eine kleine Fahrradwerkstatt im Bahnhof vorstellen", sagt der ehemalige Eisenbahner.
Olbricht-Gedenken im Bahnhof?
Ebenso sollte der frühere Gepäckaufbewahrungsraum auf der anderen Straßenseite irgendwann für die Darstellung von Museumsstücken verwendet werden, schließlich ist er laut Riethig mit seinem schönen Oberlicht perfekt dafür geeignet. Damit rennt er auch bei Leisnigs Bürgermeister Tobias Goth (CDU) offene Bahnhofstüren ein – das Stadtoberhaupt sucht aktuell noch nach geeigneten Räumlichkeiten für eine Olbricht-Gedenkstätte.
In ihrer Leidenschaft für das Leisniger Baudenkmal sind sich Riethig und Feurer wohl ähnlich, bei den Wegen zu seiner Erhaltung unterscheiden sich die beiden jedoch erheblich. Während der Schweizer eher noch auf visionäre Ideen wartet, hat der Deutsche schon viele praktische Empfehlungen parat. Spätestens zum Tag des offenen Denkmals am 14. September ist Feurer wieder in der Stadt. „Dann können mir die Leisniger ihre Vorschläge auch persönlich mitteilen", sagt der Schweizer.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen