Dienstag, 14. Oktober 2014

Döbelner Allgemeine Zeitung vom 14. Oktober 2014......

Aktuell


Visionen wie ein Schweizer Käse

Thomas Lieb


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    Foto: Wolfgang Sens
Leisnig. Erwin Feurer will nichts anderes, als eine Weltrevolution starten. Das Hauptquartier für den "Umbau der Welt" - ein neugotisches Baudenkmal, dessen Verfall vor Jahrzehnten eingesetzt hat. Vom Leisniger Bahnhof aus will der Schweizer jetzt schaffen, was ihm bislang nie gelungen ist. Eine Vision umsetzen. Davon hat der 63-Jährige einen ganzen Kopf voll. Einige davon hat er aufgegriffen. Ist immer wieder gescheitert. Jetzt soll am Fuße der Burg Mildenstein das entstehen, was Feurer "die größte Selbsthilfeorganisation aller Zeiten" nennt.

Gönner gesucht

Eine Foundation, die sich der "Ausgegrenzten, Vergessenen und Überflüssigen" annimmt. 2009 wurde der International Burnout Fund (IBF) von Feurer gegründet. Zum Zweck, Burnout-Betroffenen in ganz Europa zu helfen. Aus dem Teufelskreis von Depression und Arbeitslosigkeit zu entkommen. Eine Organisation, die einen kre­ativen Anarchismus pflegen soll. Ausschließlich mit dem Geld Dritter: Gönnern, Mitgliedern, Förderstellen. Bislang blieb die Vision, die in ihrem Kern aus einer "Welt der sozialen Ungerechtigkeit" entsteht, so löchrig wie ein Schweizer Käse. 100 000 Gönner und Mitglieder soll die Organisation einmal haben. Fürs Erste. Stand heute: Null.

Den Leisniger Bahnhof hat Erwin Feurer schon gekauft - für einen eher symbolischen Betrag. Viel mehr Geld dürfte Feurer in Leisnig nicht investieren. Er hat schlicht keins mehr. Mehrere seiner Unternehmen führt er in den Konkurs. Das Genick bricht ihm letztlich seine Rolle im zweitgrößten Wirtschaftsskandal in der Schweiz nach dem Zusammenbruch von SwissAir. Die Rolle des Gläubigers im Firmenimperium der Milliardärsfamilie um Hugo Erb. Für die hat der damalige Bauunternehmer mit seiner Firma, die Projekt Vision AG, Häuser verwaltet, später auch den Familiensitz der Erbs, Schloss Eugensberg. In einem Prozess zu einem "krassen Fall von Wirtschaftskriminalität", wie die Anklage einschätzt, hat sich Erwin Feurer auf die Seite der Erbs geschlagen. Und einer Reihe von Liquidatoren, die den Erb-Konzern abwickelten, einen Komplott unterstellt. Der Schlag geht nach hinten los. Rolf Erb wird wegen gefälschter Bilanzen und Täuschung der Gläubiger in zweiter Instanz zu acht Jahren Haft verurteilt. Erwin Feurer hat eine Klage wegen Rufschädigung am Hals. Er wird zu einer Entschädigung über 24,4 Millionen Schweizer Franken verurteilt. Seine Projekt Vision AG, die den Prozess anstrengt - pleite.

Die Rettung der Welt ist mit Geld nicht zu bezahlen. Weswegen sich der einstige Schweizer Bauunternehmer fortan genau darauf konzentriert. Zunächst mit der Bewahrung von Kulturdenkmälern vor dem Verfall. Auch das geht schief. Er baut den Bahnhof Rheineck in der Ostschweiz zu einem Kulturzentrum um. Der "Kultur-Palast" - Feurer denkt immer groß. Er verspekuliert sich. Nach fünf Jahren ist Schluss, weil die Menschen in der schweizerischen Provinz kein Interesse an exklusiver Kunst haben. Die Besucher bleiben aus. Das Geld ist alle. Im Dezember kaufte der Kulturliebhaber Schloss Radibor bei Bautzen. Im Namen und als Sitz für den International Burnout Fund. Jetzt ist wieder Schluss. Radibor will Feurer verkaufen ("Ich habe versagt."). Aber die baufällige Ruine, die Feurer mit bescheidenen Mitteln wenigstens für die Sommermonate hergerichtet hat, "lässt sich schwer verkaufen. Niemand bindet sich ans Bein, was 30 Jahre lang verkommen ist", sagt er.

"Da draußen" im Osten

Was in Radibor nicht klappte, soll in Leisnig gelingen. Feurer sieht es als persönlichen Neuanfang, bei dem er "eine berufliche und familiäre Vergangenheit - die nicht grundsätzlich negativ, aber nie problemlos verlaufen ist" - hinter sich lassen will. Und ist dabei offenbar im Begriff, alte Fehler wieder zu machen. "Ich bin einer, der seine Visionen und Utopien auch umsetzen möchte. Manchmal spielen einem dabei Körper und Geist einen Streich." Er will endlich Menschen finden, die er begeistern kann. Der Osten sei dafür wie geschaffen. "Der Teil des Landes hat eine hohe Arbeitslosigkeit, viele Probleme", sieht Feurer Argumente, warum die sächsische Provinz genau der richtige Ausgangsort für eine Weltrevolution ist. Redet der Schweizer vom Osten, spricht er von "da draußen". Da draußen, wo es bessere Fördermöglichkeiten gibt als in der Schweiz? Wo man ohne eigenes Kapital noch auf die Unterstützung der öffentlichen Hand hoffen kann? "Da ist schon was dran." Feurers Visionen nähren sich vom Geld anderer. "Ich bringe die Ideen, die es wert sind, umgesetzt zu werden. Das kann ich allein nicht schaffen. Ich gebe den Anstoß dafür. Das Bekenntnis und das Verständnis, etwas zu verändern, müssen von der Öffentlichkeit kommen. Ich bringe andere Währungen bei: Kreativität, Kunst, Vertrauen und Zeit." Ein Mann, der arm ist, wie eine Kirchenmaus, aber die Welt umbauen will. Passt das? "Ein Mann der Geld hat, tut so etwas nicht." Träume sind nichts für Materialisten.

Bei dem Schweizer ist der Name Programm. Wie seine Firmentitel steckt auch er voll von Visionen. Einträge im Schweizer Handelsregister offenbaren weitere Kapitel in einer wenig reibungslosen Laufbahn unter wirtschaftlicher Beteiligung des 63-Jährigen. Firmen Feurers, wie die Commerz Vision AG, die Promo Vision AG, die Anlage Vision AG und die Kunst Vision AG steuern allesamt über die Jahre in die Liquidation. "Es ist nicht immer alles gut gelaufen", sagt Feurer.

Seine Gedanken über die Zukunft des Bahnhofs presste der Kunstbuchverleger (Com Media Vision AG) in ein Konzept, das Anfang November der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Es trägt den Titel: "Bahnhof Leisnig - Visitenkarte für eine historische Stadt". Es liest sich wie die Liebeserklärung an eine Stadt "da draußen", die es in der Hand habe, mit dem Projekt Leisniger Bahnhof "die Trendwende einzuläuten und zu einem kulturhistorischen Zugpferd in Mittelsachsen zu werden".

Förderung und Förderer

Besenrein hat Erwin Feurer den Bahnhof schon gemacht. Er soll Firmensitz seines Kunstbuchverlages (die Werke stammen fast ausschließlich aus der Feder des Geschäftsführers) und der IBF werden. Ein Planer ist beauftragt, Fördermöglichkeiten aus den Regionalen Entwicklungstöpfen der EU zu prüfen. Für einen ersten Teilumbau des Bahnhofs wären 320 000 Euro nötig, rechnet Feurer vor. "Da der Bahnhof - von wem auch immer - saniert werden muss, wird angeregt, sofort ein Spenden- und Gönnerkonto einzurichten", heißt es in dem Papier. Tobias Goth habe er schon überzeugen können. "Der Bürgermeister steht dem Projekt sehr positiv gegenüber", so Feurer. Tobias Goth hat die Einladungen an Politik, Wirtschaft und andere potenzielle Gönner der IBF geschickt. Feurers Konzept sei "noch nicht vollständig. Was es zu so einem Vorhaben auch nie sein wird. Es muss mit den Menschen der Region fortentwickelt werden". Ob es diesmal gelingt? "Keine Ahnung. Vielleicht bin ich zu naiv für Leisnig. Wenn es einen Besseren gibt, als mich, bin ich wieder weg. Kein Problem."

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